Die Organisation der Arbeitswelt 4.0 erfordert tiefgreifende Reorganisations-Maßnahmen wie die Einführung agiler Methoden, die Steuerung des Veränderungsprozesses entsprechend der Entwicklung der Unternehmensstrategie, des Geschäftsumfelds und der Humanressourcen
Warum ziehen große Teile der Belegschaft bei tiefgreifenden Reorganisationsmaßnahmen, wie etwa bei der Einführung agiler Methoden, nicht mit oder verlassen gar das Unternehmen? Eine Antwort darauf sind die – zu selten diskutierten – Identitätskonflikte in der Belegschaft, die bei Wandlungsprozessen oft zu beobachten sind.
Die Menschen ziehen mit, wenn bei der Transformation zum agilen Unternehmen ein paar Dinge bedacht werden. Denn dieser Veränderungsprozess ist nicht einfach nur eine organisatorische Umstrukturierung, sondern ein komplexer Entwicklungsprozess, der der gesamten Belegschaft einiges abverlangt. Er wird gelingen, wenn Führungskräfte und Beschäftigte mit den neuen Aufgaben wachsen.
Agilität und Identität
Im Zusammenhang mit Agilität entwickelt sich Führung hin zu mehr ‚Coaching‘ und ‚Enabling‘. Die Menschen im Unternehmen bekommen eine größere Entscheidungs- und Handlungsautonomie und sehen sich mit größerer Selbstverantwortung und Selbstorganisation konfrontiert. Statt auf externe Stimuli, wie direkte Anweisungen oder Anreize, setzen die Führungskräfte auf die Fähigkeiten der Beschäftigten und auf deren Identifikation mit dem Unternehmen. Der Erfolg agiler Organisationsprinzipien und indirekter Führung aber muss den Umgewöhnungsprozess hinsichtlich neuer Formen der Selbstorgansisation und Kommunikation berücksichtigen. Außerdem tasten sie sich langsam voran, um auf dem neuen, erwarteten Terrain sicher zu agieren.
Die Menschen machen das agile Unternehmen aus. Von ihnen werden zukünftig mehr Fähigkeiten verlangt, als auf Abschlusszeugnissen, Weiterbildungsnachweisen und Urkunden festgehalten ist, etwa ein spezifisches, praktisches Erfahrungswissen, das eher implizit und stark personengebunden ist und schwer explizit vermittelbar ist. Dazu kommen nicht-messbare und schwer nachweisbare Fähigkeiten, wie Kommunikation, passive und aktive Kritikfähigkeit, Selbstorganisation, Eigenmotivation oder Extrovertiertheit.
Kurz, im agilen Unternehmen geht es um die Identität der Menschen
Egal, ob man es Personalentwicklung, Veränderung der Unternehmenskultur oder Gestaltung eines agilen Mindsets nennt: Wenn die Menschen an den neuen Aufgaben wachsen, wird sich dabei ihre Identität verändern.
Den Prozess der Identitätsbildung anzustoßen, ist Führungsaufgabe. Durch diesen Prozess werden Unternehmen zu einem bedeutenden Faktor in der Identitätsbildung von Einzelpersonen, und damit wird die Corporate Identity zur Quelle der Selbstidentifizierung. Allerdings sind die Führungskräfte auf diese Aufgabe in der Regel nicht vorbereitet. Im Kern geht es um die gemeinsame Entwicklung der zukünftigen Identitäten von Mitarbeitern, ohne Fremdregulierung. Selbstorgansation steht zu Fremdregulierung in eindeutigem Widerspruch!
Der verantwortungsvolle Umgang mit Identität
Es ist wichtig, sich sowohl die Werte und die Kultur des Unternehmens bewusst zu machen, als auch auf die individuellen Lebensläufe und Hintergründe der einzelnen Menschen einzugehen.
Denn die Einflussnahme der Unternehmen auf die Identität ihrer Beschäftigten passiert eben nicht im luftleeren Raum. Sie trifft vielmehr auf die unterschiedlichsten Charaktere der Belegschaft und auf schon existierende Meinungen und Auseinandersetzungen, die unter diesen Charakteren zirkulieren. Diese Dynamik ist die Antwort der Unternehmenskultur auf die Einflussnahme.
Hier sind klassische Führungsmethoden einerseits deplatziert und andererseits erfordert die notwendige Überlistung der Unternehmenskultur einen Positivbeweis, dass die gewünschte Teamarbeit erfolgreicher ist als bisheriges Vorgehen. Dabei hilft es sehr, wenn man die Wertschöpfung der Mitarbeiter in den Fokus rückt. Dazu sind viel Kommunikation, Zuhören und Austausch nötig.
Dieser Prozess läuft häufig im Hintergrund. Für den erfolgreichen Einsatz agiler Methoden ist es aber unabdingbar, ihn ins Bewusstsein zu rücken und sich offen damit auseinanderzusetzen.
Interim Manager können solche Prozesse sehr gut definieren und initieren. Ihre neutrale Position ermöglicht, eine gezielte Begleitung, ganz auf die Bedürfnisse der Organisation abgestimmt. So kann sich die Wirksamkeit optimal entfalten.