Wirksame Prozesse sind das „A“ und „O“ eines funktionierenden Geschäftsbetriebs. Dabei spielt die Zeit zwischen dem Auftreten einer Abweichung oder Störung bis zum Einleiten der geeigneten Korrekturmaßnahme eine entscheidende Rolle. Trotzdem tun sich viele Unternehmen schwer damit, Mechanismen zu installieren, die eine schnelle Reaktion auf solche Ereignisse ermöglichen. Stattdessen werden die Indikatoren, also die Kennzahlen, die auf das jeweilige Ereignis frühzeitig hätten hinweisen können, erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt betrachtet.
Hier kann die Einrichtung eines virtuellen Cockpits dazu beitragen, dem Führungsteam die zur Entscheidungsfindung erforderlichen Daten dauerhaft und zeitnah zur Verfügung zu stellen. Wenn man dabei auf vorhandene Daten zugreift, hält sich der Aufwand für ein solches Dashboard in engen Grenzen.
„Papier ist geduldig“ war in der Zeit vor der Digitalisierung eine der Floskeln, mit der man zum Ausdruck brachte, dass das Niederschreiben von Vorgaben nicht zwangsläufig mit deren Umsetzung einhergehen muss. Die Umstellung auf digitale Formate hat dazu geführt, dass Prozessbeschreibungen und weitere relevante Dokumente quasi überall in Echtzeit zugreifbar sind.
Die verbesserte Verfügbarkeit ist zwar ein großer Vorteil, sorgt aber nicht per se dafür, dass die Prozesse auch wie geplant umgesetzt werden. Die vollumfängliche Erfüllung von Vorgaben ist aber die Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit von Prozessen.
Die Betreiber von Qualitätsmanagementsystemen – und das dürften die meisten sein – werden jetzt entgegnen, dass es genau dafür das Instrument des Managementreviews gibt.
Der Managementreview besteht darin zu überprüfen, ob die Mittel, die zur Zielerreichung eingesetzt werden, wirksam sind. Anders ausgedrückt geht es also darum festzustellen, wie effektiv die Führungscrew eines Unternehmens ihre Arbeit gemacht hat. Und da es ja im Allgemeinen problematisch ist, die eigene Leistung objektiv zu bewerten, lässt man das gerne andere machen. In börsennotierten Unternehmen gibt es dafür den Aufsichtsrat. Andere engagieren externe Berater um eine unabhängige Bewertung ihrer Leistung zu erhalten. Ein seriös durchgeführter Managementreview zeigt dann auf, welche Prozesse zur Zielerreichung geeignet – also wirksam – sind, und welche nicht.
Das ist als Bestandteil des Qualitätsmanagements so geplant und es funktioniert auch. Es gibt allerdings einen kleinen aber bedeutenden Makel – das Timing.
Bei vielen Unternehmen erfolgt der Managementreview einmal jährlich. Bei den Betreibern von Qualitätsmanagementsystemen ist er gerne einige Wochen vor dem jährlich stattfindenden Rezertifizierungsaudit terminiert, da das Ergebnis Bestandteil des Audits ist. Bei anderen erfolgt die Bewertung häufig im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses.
Was dann in der Praxis häufig passiert, ist, dass anlässlich des anstehenden Termins alle Kennzahlen der vergangenen Periode ermittelt und zusammengetragen werden. So landen sie dann in vorgegebenen Listen und Charts, aus denen schließlich das Reporting für die Stakeholder generiert wird. Diese Vorgehensweise ist allgemein akzeptiert, erfüllt sie doch die Regeln ordnungsgemäßer Geschäftsführung und des Betriebs von Qualitätsmanagementsystemen gleichermaßen.
Mehr jedoch leider nicht.
Letztlich sorgt die beschriebene Vorgehensweise lediglich dafür, bereits abgeschlossene und daher nicht mehr beeinflussbare Aktivitäten und deren Auswirkungen zu dokumentieren. Das eingetretene, gute oder schlechte Ergebnis wird nachträglich durch die entsprechenden Kennzahlen bestätigt. Das hat mit einer umsichtigen und vorausschauenden Unternehmensleitung wenig zu tun.
Grundsätzlich sind wirksame Prozesse unabdingbare Voraussetzung für einen effektiven und effizienten Geschäftsbetrieb.
Betrachten wir das Beispiel einer elektronischen Steuerung. Der Steuerungsprozess besteht darin, auf die Veränderung von Eingangs- und Störgrößen so zu reagieren, dass der gewünschte Output dauerhaft erzeugt wird. Wesentliche Bewertungskriterien für eine solche Steuerung sind die Präzision und die Geschwindigkeit, mit der die Steuerung arbeitet.
Dieses Prinzip sollten Sie auch bei der Steuerung Ihrer Unternehmung verfolgen.
Der wichtigste Schritt ist dabei, die als „Key Process Indicators“ (KPI) bezeichneten Kennzahlen im Wortsinn, nämlich als Indikatoren für den Verlauf von Entwicklungen zu verwenden. Das bedeutet, dass Sie bereits dann von den Kennzahlen alarmiert werden, wenn sich diese in eine bestimmte Richtung bewegen, oder eine festgelegte Warngrenze erreichen. Nur so ist es möglich, auf sich anbahnende Entwicklungen schon in deren Entstehungsstadium zu reagieren.
Das gilt ganz allgemein, aber im Besonderen dann, wenn Ressourcen knapp sind und ein auf „Irrwegen“ wandelndes Unternehmen wieder „auf Kurs“ gebracht werden soll. Und gerade diese Situation führt ja häufig zum Einsatz von Interim Managern.
Erfolgreiches Interim Management besteht darin, binnen kurzer Zeit herauszufinden, unter welchen Problemen ein Unternehmen leidet, diese zu adressieren und Lösungen zu entwickeln und umzusetzen. Eine schnelle Auffassungsgabe und eine gute Menschenkenntnis sind hierbei hilfreich. Unverzichtbar sind jedoch Zahlen, Daten und Fakten, die den Zustand des Unternehmens – und damit auch der verbesserungsbedürftigen Parameter – objektiv beschreiben. Das verlangt auch die ISO 9001, wenn sie fordert, dass Entscheidungen faktenbasiert zu treffen sind.
Eine grundsätzliche Voraussetzung dafür ist es natürlich, geeignete Kennzahlen festzulegen, und diese dann zeitnah zu erheben und zu betrachten.
Ratgeber, Fachbücher und Dissertationen zur Auswahl und Erhebung von Kennzahlen füllen komplette Bibliotheken und sind somit ein unerschöpfliches Thema. Dazu sind sogar Smartphones mittlerweile in der Lage, auch komplexe mathematische Operationen in Sekundenbruchteilen zu bewältigen. Will sagen, dass die Erhebung auch komplizierter KPI technisch meistenteils kein Problem darstellt.
Die Frage ist also nicht „was geht“, sondern „was man braucht“.
Die Praxis zeigt, dass die Kennzahlen die man braucht um erforderliche Informationen schnell und effektiv parat zu haben, eher einfachen Algorithmen folgen. Oftmals sind es Werte, die sich mittelbar oder sogar unmittelbar auf den betrachteten Prozess beziehen, also dessen Input, Output oder Ressourcenverbrauch. Ihre Betrachtung reicht in vielen Fällen dazu aus, Situationen zu erfassen und angemessen darauf zu reagieren.
Kennzahlen sind nur dann als Steuerungsinstrumente einer Unternehmung geeignet, wenn sie zeitnah zur Verfügung stehen.
In vielen Betrieben führt das zu einer eingespielten Routine aus Ankündigungen („Bitte denken Sie an die Abgabe der Zahlen bis zum Tag X.“), Erinnerungen („Reminder: Abgabe…Tag X!“) und Ermahnungen („Sie haben die Zahlen noch nicht übermittelt, bitte tun Sie es bis gestern!“), mit denen die Betroffenen zur Abgabe „ihrer“ Zahlen zum Stichtag veranlasst werden sollen.
Die Methode hat den Vorteil, dass sich alle Beteiligten mit den Kennzahlen auseinandersetzen (müssen), und so nicht den Bezug zu den Prozessen und deren Effizienz verlieren. Sie hat aber den Nachteil, dass das händische Eintragen von Zahlen in Dokumente fehlerträchtig ist. Außerdem besteht hierbei die Möglichkeit, vorsätzlich Werte zu manipulieren.
Wie immer, wenn es um Datenverarbeitung geht, spielt die Datenqualität eine Hauptrolle. Oder kurz „shit in - shit out“ wie es die IT-Leute auf den Punkt bringen.
Die höchste Qualität haben die Daten dort, wo sie entstehen. Und das ist in den Systemen und Programmen, die Sie in Ihrer Unternehmung für die unterschiedlichen Aufgaben nutzen. Deshalb sollten Sie – wo immer es möglich ist – die Kennzahlen aus den Softwareprogrammen gewinnen, die Sie im Unternehmen dauerhaft einsetzen.
Als ergiebigste Quelle seien hier die weit verbreiteten ERP (Enterprise Ressource Program) Systeme genannt. Je nach Nutzungsgrad enthalten diese Systeme viele bis alle Basisdaten, die Sie für die Berechnung effektiver KPI benötigen.
Aber auch weniger umfangreiche Softwarelösungen wie Warenwirtschaftssysteme, Buchhaltungsprogramme oder Zeiterfassungssysteme enthalten valide Daten, die für die Berechnung von Kennzahlen geeignet sind.
Häufig lassen sich die gewünschten Zahlen aus den Programmen mit relativ geringem Aufwand exportieren. Die Programmierung solcher Routinen kann oftmals sogar von der hauseigenen IT-Abteilung geleistet werden.
Während eine elektronische Steuerung weitestgehend automatisch abläuft, erfolgt die Steuerung eines Fahrzeugs, z. B. eines Autos, noch immer größtenteils manuell.
Damit der Pilot sein Vehikel sicher durch den Verkehr steuern kann, benötigt er eine Menge unterschiedlicher Informationen. Durch Fenster, Spiegel oder Kameras nimmt er wahr, wie sich andere Verkehrsteilnehmer um ihn herum bewegen, wie die Straße verläuft, welche Farbe die Lichtzeichenanlage gerade zeigt, und ob sich ihm Hindernisse in den Weg stellen, denen er ausweichen muss.
Ein weiterer Teil relevanter Informationen betrifft sein Gefährt. Wie schnell es sich gerade bewegt, und wie weit der bordeigene Energievorrat noch ausreicht, bis ein Auffüllen erforderlich wird, sind dabei nur die elementarsten Informationen, die ein Cockpit bereithält. Moderne Fahrzeuge - egal ob zu Wasser, zu Land oder in der Luft – erlauben heute die Überwachung einer Vielzahl von Parametern und Einstellungen. Und da diese nicht für jeden Piloten gleichermaßen wichtig sind, kann man moderne Dashboards sogar nach persönlichem Gusto konfigurieren.
Und hier liegt die Analogie zur Steuerung Ihres Unternehmens. Verfolgen Sie die Aktivitäten mithilfe geeigneter Kennzahlen. Bauen Sie sich Ihr eigenes Cockpit zu deren Überwachung! Stellen Sie fest, welche KPI besonders wichtig sind, und stellen Sie diese auf der obersten Ebene Ihres Dashboards dar. Machen Sie einen kurzen Blick in Ihr Cockpit zur täglichen Routine.
Dafür gibt es spezielle Softwaremodule, die die gewünschten Informationen aufbereiten und optisch ansprechend darstellen. Das muss aber gar nicht sein: auch eine einfache Tabellenkalkulation erlaubt den Import und die optische Aufbereitung von Parametern. In Excel können Sie mittels der „bedingten Formatierung“ von Zellen dafür sorgen, dass kritische Werte rot eingefärbt werden, und Ihnen damit sofort ins Auge springen.
Das Wichtigste dabei ist aber, dass die im Cockpit angezeigten Informationen aktuell sind. Nur dann sind sie dazu geeignet, Prozesse wirksam zu steuern. Oder würden Sie es akzeptieren, wenn Ihr Fahrzeug nachts auf einer einsamen Landstraße wegen Energiemangels stehen bleibt, und der Bordcomputer vermeldet: „gestern war der Tank / die Batterie noch voll“?
Die Wirksamkeit von Prozessen wird maßgeblich durch zwei Parameter bestimmt: Die Auswahl der zu ihrer Überwachung verwendeten Kennzahlen (Key Process Indicator, KPI) - und deren Aktualität. Egal ob in der Elektronik, im Straßenverkehr oder bei der Unternehmensführung: Prozesse sind dann wirksam, wenn sie es erlauben, auf eintretende Veränderungen richtig und schnell zu reagieren. Während elektronische Steuerungen permanent Impulse angeschlossener Sensoren erhalten („push“), muss sich ein Unternehmer die für die Steuerung seiner Unternehmung erforderlichen Informationen selbst besorgen („pull“).
Die Qualität getroffener Entscheidungen ist zu großen Teilen abhängig von dem Wissen, auf dem sie basieren. Kurzum: Gute unternehmerische Entscheidungen erfordern eine gute Datenqualität. Die Daten müssen valide und aktuell sein. Und genau das sind diejenigen Daten, die in den verschiedenen, im Unternehmen eingesetzten Softwareprogrammen und Systemen präsent sind.
Daher bietet es sich an, die relevanten Daten direkt aus diesen Anwendungen zu exportieren, und in Form eines virtuellen Cockpits zusammenzuführen. Ein solches Dashboard erlaubt es den Verantwortlichen dann, ihre Entscheidungen aufgrund einer aktuellen und validen Datenbasis zu treffen. Und der Aufbau eines solchen Cockpits lässt sich in den meisten Fällen sogar ohne großen Aufwand bewerkstelligen.
Das gilt vor allem auch für Interim Manager. Deren Erfolg hängt häufig davon ab, wie schnell sie in der Lage sind, Situationen zu erfassen, richtig einzuschätzen, und dann geeignete Mittel einzusetzen, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Hier kann ein aktuelles Dashboard schnell zeigen, wie effizient eingeleitete Maßnahmen sind, und ob sie zielführend sind.
Der Autor
Dipl.-Ing (FH)
Rainer
Weltring ist als freiberuflicher (Interim-) Qualitätsmanager und Auditor für die Regelwerke ISO 9001 und IATF 16949 tätig. Als Autor von „Qualitätsmanagement nach ISO 9001:2015 für Dummies“ versucht er, auch Newbies und Quereinsteiger von den Vorteilen des Qualitätsmanagements zu überzeugen. Seine Devise lautet dabei, dass „gut gemachtes Qualitätsmanagement mehr verdient als es kostet.“